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Mercedes muss 99.000 Sprinter zurückrufen

Mercedes Sprinter - Abgasskandal weltweit

Der Abgasskandal ist beim Mercedes Sprinter angekommen: Auf Anordnung des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) werden aktuell allein in Deutschland fast 99.000 Sprinter der Baujahre 2013 bis 2018 unter dem Hersteller-Code NC3II6515R in die Werkstatt gerufen. Grund für den verpflichtenden Rückruf ist, dass bei den betroffenen Fahrzeugen eine unzulässige Abschalteinrichtung bzw. unzulässige Reduzierung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems entfernt werden muss, wie das KBA am 16. September 2021 veröffentlichte.

Weltweit sind von dem Rückruf mehr als 260.000 Fahrzeuge betroffen, wie das KBA mitteilt. Dass es auch beim Mercedes Sprinter Abgasmanipulationen gibt, wurde vor rund zwei Jahren bekannt. Im Herbst 2019 hatte das KBA beim Mercedes Sprinter mit dem Dieselmotor des Typs OM 651 und der Abgasnorm Euro 5 eine unzulässige Abschalteinrichtung entdeckt. Dabei handelt es sich um die sog. Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung. Sie sorgt dafür, dass sich die Erwärmung des Motoröls verzögert, um so den Stickoxid-Ausstoß zu reduzieren. Allerdings ist die Funktion nahezu nur unter Bedingungen wie sie im Prüfmodus herrschen aktiv. Unter normalen Betriebsbedingungen im Straßenverkehr steigt der Emissionsausstoß daher wieder an.

Für Modelle des Mercedes Sprinter der Baujahre 2015 bis 2018 mit dem Dieselmotor OM 651 und der Abgasnorm Euro 6 erfolgte bereits Anfang 2020 ein Rückruf des KBA. Davon waren in Deutschland nur rund 1.000 Fahrzeuge betroffen, die unter dem Code NC3M651R in die Werkstatt gerufen wurden, damit eine unzulässige Abschalteinrichtung entfernt wird.

Daimler führt die Rückrufe zwar durch, steht bisher aber auf dem Standpunkt, dass die beanstandeten Funktionen zulässig sind. Das KBA hat den Widerspruch gegen die Rückruf-Bescheide allerdings zurückgewiesen und damit untermauert, dass es die Funktionen für unzulässige Abschalteinrichtungen hält.

Zu dieser Überzeugung gelangen auch immer mehr Gerichte. Neben diversen Landgerichten haben inzwischen auch die Oberlandesgerichte Köln und Naumburg Daimler im Abgasskandal wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung zu Schadenersatz verurteilt.

Rückenwind für Schadenersatzklagen kommt auch vom Europäischen Gerichtshof. Der EuGH hat mit Urteil vom 17.12.2020 deutlich gemacht, dass Abschalteinrichtungen unzulässig sind, wenn sie dazu führen, dass der Emissionsausstoß unter normalen Betriebsbedingungen im Straßenverkehr höher ist als auf dem Prüfstand. Ausnahmen seien nur sehr begrenzt und nur zum unmittelbaren Schutz des Motors vor Beschädigung zulässig.

„Die Kühlmittel-Sollwert-Temperaturregelung fällt demnach nicht unter die zulässigen Ausnahmen, wie die Rechtsprechung inzwischen auch bestätigt. Daimler hat diese Funktion in zahlreichen Modellen und nicht nur im Mercedes Sprinter eingesetzt. Betroffene Fahrzeughalter haben daher gute Chancen, Schadenersatz durchzusetzen“, sagt Rechtsanwalt Christian Heitmann.

Mehr Informationen: https://www.rechtsmeister.de/schadenersatz-abgasskandal